Psychische Gesundheit in Zeiten einer globalen Pandemie

von Anja Zimmer

 

Doktorandin in Psychologie an der Universität Basel und Ko-Autorin der Swiss Corona Stress Study 

Die Corona-Krise (COVID-19-Pandemie) betrifft viele Bereiche des (öffentlichen) Lebens und stellt seinesgleichen eine besondere psychische Belastungssituation dar. Einschränkungen im Sozialleben, Isolation und Veränderungen der Arbeits- oder Ausbildungssituation bringen enorme Herausforderungen und somit auch verschärfte Stressfaktoren, die durch die Corona-Krise entstanden sind. Derzeit kann niemand abschätzen, welche Auswirkungen diese Stressfaktoren auf den psychischen Gesundheitszustand haben, weil es eine solche Situation schlicht noch nie gegeben hat.

 

Was ist Stress?

Stress kann beschrieben werden als die Konfrontation mit einer herausfordernden Situation und der Anpassung an diese. Menschen sind per se gut ausgerüstet, um auf Stress zu reagieren und unser Stress-System ist hochanpassungsfähig. Jedoch kann Stress auch ein all bekannter Risikofaktor für psychische Störungen sein.

 

Verschiedene Umfragen und Artikel rufen derzeit dazu auf, langfristig einen Plan für den Umgang mit den Konsequenzen zu erstellen, um auf die aktuelle Lage hinsichtlich der psychischen Gesundheit der Bevölkerung zu reagieren. Daher ist es aktuell besonders wichtig, Daten zu erheben, bei denen sowohl die Allgemeinbevölkerung als auch die vulnerablen Personengruppen abgedeckt sind. Denn ohne diese Daten kann nur spekuliert werden.

 

Swiss Corona Stress Study der Universität Basel

Eine Studie der Universität Basel untersuchte nun die Auswirkungen der aktuellen Krise auf das psychische Wohlbefinden in der Schweiz und insbesondere die Auswirkungen auf Stresslevel sowie depressive Symptome. Zusätzlich zu den Stressfaktoren sollten seinesgleichen potentielle Verhaltensweisen identifiziert werden, die aktuell stressreduzierend wirken können.

Innerhalb von nur 3 Tagen wurde die Umfrage von mehr als 10.000 Personen im Alter von 14-92 Jahren ausgefüllt. Mit diesen Daten wurde eine erste Analyse gerechnet. Hierbei wurden Daten aus der zweiten und dritten Woche der Lockdown-Massnahmen (Anfang/Mitte März) mit der Zeit vor der Corona-Krise (1./2. Woche Februar) verglichen, um quasi eine Momentaufnahme zu erstellen. Weitere Analysen sollen folgen.

 

Erste Ergebnisse der Studie

Die Hauptergebnisse werden im Folgenden aufgeführt: 49.6% der Befragten fühlen sich im Lockdown gestresster als vor der Coronakrise. Dies ist besonders auf die Belastungen durch die eingetretenen Veränderungen am Arbeitsplatz oder in der Ausbildung sowie das eingeschränkte Sozialleben und die Kinderbetreuung zurückzuführen.

 

Stress ist ein bekannter Risikofaktor für Depressionen und ebenso in dieser Umfrage sind die Veränderungen im Stressempfinden hoch korreliert mit Veränderungen in depressiven Symptomen. 57% der Befragten berichteten einen Anstieg depressiver Symptomatik. Entsprechend wurde ein Anstieg der Häufigkeit registriert: Vor der Corona-Krise gaben 3.4% der Befragten an, eine behandlungsbedürftige depressive Symptomatik zu haben, während der Lockdown-Massnahmen stieg dies auf 9.1% an.

 

Interessanterweise fühlen sich ganze 26% der Befragten im Lockdown weniger gestresst als vor der Krise (bei 24.4% gab es keinen Unterschied). Es wird angenommen, dass die Lockdown-Massnahmen bei diesen Personen eher zu einer Stressreduktion führten, z.B. eine Entschleunigung im Alltag, mehr Zeit für Erholung oder Hobbies.

 

Generell konnten mehrere Verhaltensweisen identifiziert werden, die mit einer kleineren Stresszunahme zusammenhängen: Körperliche Betätigung, das Praktizieren von Entspannungsübungen, sich vermehrt dem Hobby oder neuen Projekten zuzuwenden, News-Breaks nehmen und einen geregelten Tagesablauf in Bezug auf Mahlzeiten, Schlaf, Arbeit/Lernen zu haben.

 

Stress und seine fatalen Auswirkungen auf unsere psychische Gesundheit sind nichts Neues. Die Stressforschung hat schon eine lange Geschichte, viele der Faktoren sind bereits aus früheren Interventionsstudien bekannt. Die Daten der aktuellen Umfrage bekräftigen diese und zeigen zudem, dass die bekannten Anti-Stress-Verhaltensweisen auch in der speziellen Situation eines Pandemie-Lockdowns greifen können.

 

Welche Folgen hat die globale Pandemie auf unsere Gesellschaft und Gesundheit?

Allerdings waren wir noch nie zuvor in einer solchen Situation – einer globalen Pandemie.  Alle sind betroffen und alle spüren in einer jeweiligen Form die Auswirkungen, welche die Pandemie auf unsere Gesundheit und Gesellschaft ausübt. Ehemals Tabu-Themen wie Antriebslosigkeit, Einsamkeit, gar Depression und Existenzängste wurden nun zu öffentlich diskutierten Themen. Viele Menschen setzen sich vielleicht auch erstmals mit Fragen zur psychischen Gesundheit auseinander und sprechen offen über ihr Wohlbefinden. Es wird auch immer wieder von den Chancen der Corona-Krise gesprochen. Ein stärkeres Bewusstsein für psychische Gesundheit ist eine davon.

 

Weitere Informationen zur Umfrage in der Publikation: https://osf.io/jqw6a/

 

Die Umfrage läuft noch: https://www.coronastress.ch/

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